THELMA’s ist für Jonathan Simpson und mich ein eminent wichtiger Ort.
Diese Bar zwischen Hier und Nirgendwo verbindet die reale Welt, mit der meines Protagonisten. Sie gibt uns die Möglichkeit uns zu treffen, uns gegenüber zu sitzen, uns in die Augen zu sehen – und zu plaudern. Um es einmal etwas verharmlosend darzustellen. Denn in den meisten Fällen kann es da schon ziemlich hoch hergehen. Zumindest seitens meines hochverehrten Protagonisten. Denn der ist eher selten derselben Meinung wie ich und bringt das sehr … temperamentvoll zum Ausdruck.
Vorbild für diese Bar THELMA’s ist eine der zahllosen Bars, die man überall auf Mallorca – ja fast im gesamten Mittelmeer-Raum – findet. Prinzipiell eher dunkel, eine lange Theke, mit Bierzapfanlage, zwei, drei Glasvitrinen mit Tapas, dahinter zwei bis vier Regale für Gläser und Spirituosen. Im Gastraum acht bis fünfzehn kleine Tischchen, mit zwei bis vier Kaffeehaus-Stühlchen. Alles eher zierlich erscheinend. Irgendwo hinten, in der Tiefe des Gastraums flimmert ein gigantischer TV tonlos vor sich hin. Wenn gerade kein Fußballspiel, Tennis oder Basketball läuft, muss eine dieser kindisch-blöden Quiz-Shows herhalten …
In der Regel gibt es – neben der Person hinter der Theke – noch maximal einen Kellner.In. Die Atmosphäre innerhalb der Bar ist eher ruhig und etwas gedämpft. Denn das eigentliche Leben findet draußen, vor der Bar statt. Da drängen sich die Gäste im Schatten, lachen, scherzen, schwatzen und sind gut drauf. Denn das Wetter ist fast immer tadellos.
Wer sich da lieber drinnen aufhält, muss dafür triftige Gründe haben.
Und die haben Jonathan Simpson und ich in der Tat. Denn hier arbeiten wir die gerade beendete Geschichte auf. Und zwar egal, ob es sich um eine opulente Erzählung oder eine kleine Kurzgeschichte handelt …
Die Idee zu THELMA’s entstand am Ende der Episode »Begegnung auf TRISTAN IV«, die den Prolog meiner ersten Erzählung »Jonathan Simpson – Die große Ensaimada« bildet. In dieser ›Entstehungsgeschichte‹ meines Protagonisten sitzt der in einem eisigkalten Raum, trägt einen wenig schützenden Anzug, inklusive Fäustlinge aus Shinnoukrattenfell und versucht verzweifelt einen Brennstab des kleinen Atomofens so zurechtzurücken, dass er ein wenig mehr Wärme produziert und weniger qualmt. Dabei kann er durch die kleine Luke des Raums sehen, wie draußen ein fast nackter Zloplotter, an seinem Spitzsegel hängend, durch den eisigen Orkan surft. Jonathan sitz hier auf TRISTAN IV fest, weil er auf ein Ersatzteil für seinen Hyperantrieb warten muss. Und längst glaubt er, dass dies bis zum Ende seiner Tage dauern wird.
Da knallt die Tür auf und ein nur mit Hemd und Shorts bekleideter, reichlich verschwitzter Kerl ruft, ob nicht mal einer die Klimaanlage zurückstellen und mal ein Fenster aufmachen kann, damit der Qualm abzieht. Und – ach ja – ob einer Pete gesehen habe …
Es stellt sich heraus, dass da draußen ganz offensichtlich weder TRISTAN IV ist, noch ein eisiger Orkan bläst, noch Zloplotter durch diesen surfen. Alles nur Kulisse, weil sich der Autor des armen Jonathan – ein gewisser Robert Sheckley – sich das so ausgedacht hatte. Denn er liebt Szenen wie diese über alles.
Zwar verscheucht Sheckley den schwitzenden Typen in den Shorts. Der aber hinterlässt, falls Pete hier auftauchen sollte, solle man ihm doch bitte ausrichten, dass er drüben bei THELMA’s auf ein Bier erwartet würde.
Machen wir’s kurz: Jonathan entdeckt, dass es nur innerhalb seines Schutzanzugs so saukalt ist und er ohne Schutzbrille auch viel klarer sehen kann. Er entdeckt, dass draußen schönstes Wetter ist und er total Lust darauf hat drüben in dieser herrlichen Bar THELMA’s mit Pete und den anderen Typen ein kühles Bier zu trinken. Aber Sheckley macht ihm schnell klar, dass er sich das alles an den Hut stecken kann. Denn er sei sein Autor. Und wenn er nicht mache, was der Autor wolle, dann lasse jener die Geschichte einfach sausen. Womit sich die Sache mit der Existenz des Protagonisten erledigt habe.
Gottlob aber trete ich dann auf den Plan, erkläre Sheckley, dass gar nicht er der Autor des armen Jonathan Simpson sei, sondern er zusammen mit jenem in einer Geschichte von mir vorkommt. Das will jener zwar zuerst nicht glauben, schickt sich aber schließlich doch darein und zieht ab. Mich mitsamt dem armen Jonathan zurücklassend.
Bei THELMA’s treffen sich Autor und Protagonist
Und damit wir herausfinden können, wie das erste Abenteuer des Protagonisten aussehen könnte, gehen wir also erst einmal rüber zu THELMA’s und trinken dort was, während wir ausbaldowern wohin die Reise gehen wird.
Was so gut für den Beginn der Reise passte, passt auch für nach der Reise – sprich nach der Geschichte. Und ehe wir uns versahen, saßen wir nach der Geschichte wieder an alter Stelle und besprachen – ausgesprochen kontrovers – wie uns der Verlauf dieser Story gefallen hatte. Was dazu führte, dass diese Treffen nach der Geschichte zur Tradition wurden und wir uns stets wieder hier trafen, um uns die Köpfe heiß zu diskutieren. Mal mehr, mal weniger hitzig …
Übrigens, wenn Sie jetzt Ihr KAMPFENGEL-Buch drehen und wenden, weil Sie hier einfach den THELMA’s-Teil nicht finden können – lassen Sie es gut sein. Ich habe hier auf diesen Teil verzichtet, weil mir das Buch bereits dick genug erschien und ich es nicht auch noch durch weitere zwanzig, dreißig Seiten aufblähen wollte.
Ich bereue das längst und gelobe es nie mehr zu tun. Denn nicht nur meinen treuen Stammlesern, sondern auch mir selbst fehlt da wirklich etwas sehr Elementares.
Herzlichst Ihr
Udo Kübler
Ignaz Naegele
Es besteht also noch Hoffnung für einen meiner Lieblingsautoren, ob seiner Einsichtigkeit😉