Teil 2 der ANSELMO TRILOGIE
»Fakt ist: Irgendwo hier steht ein Haus, mit einem U-Bootschacht.«
»Hast du noch nie gehört, dass Werwölfe sich bei Vollmond mit Jungfrauen paaren …?«
Auf der nach oben offenen Skala für Sich-zum-Idioten-Machen hat es Jonathan Simpson in diesem Abenteuer schnell ziemlich weit gebracht. Da ist einerseits Nora, diese Frau mit der exaltierten Körpersprache, von der er sich ständig angemacht fühlt, die ihn aber immer nur abblitzen lässt. Und andererseits ist da Zimmermann, dieser eingebildete Angeber, der so tut, als sei ganz Mallorca nur ein Spielplatz für ihn. Als der aber auch noch anfängt von einem geheimnisvollen Haus mit einem U-Bootschacht zu faseln, das man finden müsse, weil am Grunde dieses Schachts – ja was denn eigentlich? –, da wird es komisch …
Jonathan Simpson als Schreiberling, der für diesen seltsamen Verlag die ANSELMO TRILOGIE schreiben soll, von der niemand weiß um was es da geht …
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Jonathan Simpson saß bei Toni in der »Bodega del Sol« und trank einen Martini Rosso. Normalerweise konnte er Alkohol bei Tageslicht nur schwer vertragen. Aber heute waren ihm solche Prinzipien reichlich egal. Diese Trotzreaktion war ihm im Innersten zuwider, wodurch seine Wut auf sich selbst noch zusätzlich gesteigert wurde.
Zu seinem Glück waren bereits genügend Touristen auf Mallorca, so dass auch einige davon sich nach Mal Pas und Bonaire verirrten. Viele davon mit dem Fahrrad, einige zu Fuß und einige wenige mit dem Leihwagen. Touristen taten Jonathan stets gut, da er sich mit Inbrunst sagte, dass er kein Tourist war. Und offensichtlich sahen die Touristen das genau so und erkannten ihn als einen dieser exotischen Menschen, die sich ein weniger bürgerliches Leben leisten konnten als sie selbst. Eine Unterstellung, die er gerne hinnahm, ja regelrecht genoss.
Derzeit saß er ziemlich allein unter der Efeu-Laube vor der Bodega, in der wie immer der Fernseher vor sich hin dudelte. Aber ab und an fuhren Fahrräder mit Menschen vorbei, die ihn – wie ihm schien – mit einem gewissen Respekt aus dem Augenwinkel ansahen. Eine hübsche Frau von ca. 40 Jahren mit einem großen weißen Hut hatte ihn vorhin sogar ganz offen mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck durch die große Sonnenbrille angelacht und ein paar für Jonathan nicht entzifferbare Worte zu ihrem Mann gesagt, der leicht schnaufend und schwitzend hinter ihr herfuhr. Ein Kerl, die Farblosigkeit in Person.
Wie konnte eine solche Frau nur so glückselig und offen lachen. Mit einem solchen Monstrum im Nacken. Und im Bett.
Jonathan schauderte.
Eine interessante Beobachtung
Ein Wagen hielt vor der Bodega, fuhr wieder an und bog in den kleinen Weg ein, der entlang der Bodega nach rechts abbog. Hier parkte er endgültig. Jonathan war beeindruckt. Es handelte sich um einen Alfa Romeo Spider in leuchtendem Rot. Bevor der Wagen abgebogen war, hatte Jonathan gewohnheitsmäßig auf das Nummernschild geschaut und festgestellt, dass es sich um ein Mallorca-Kennzeichen handelte. Der Fahrer des Wagens aber war mit Sicherheit kein Mallorquiner. Jonathan tippte eindeutig auf einen Deutschen. Und ein Deutscher mit mallorquinischer Nummer konnte nur ein Resident sein. Ein Ausländer also mit Wohnsitz Mallorca. Hier in Bonaire konnte er allerdings nicht wohnen. Er hatte ihn zumindest noch nie zuvor gesehen.
Der Mann stieg aus. Er war ungewöhnlich groß gewachsen, sicher knapp über 1,90 Meter, schlank, sportlich, mit dunklem Haar, das ihm in Locken bis tief in den Nacken fiel. Er nahm mit lässiger Eleganz die teure Sonnenbrille ab, trat mit langsamen, großen Schritten ein und ging ‒ ohne Notiz von Jonathan zu nehmen ‒ ins Innere der Bodega. Hier bestellte er ohne Umschweife ein Bier. Auf Deutsch.
Jonathan hegte vom ersten Augenblick an einen deutlichen Widerwillen gegen den Kerl. Er war zu schön und offensichtlich zu erfolgreich für Jonathans Geschmack.
… Für einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Dann hörte Jonathan zwei keuchende Atemzüge. »Sie …, Sie …«, kam es dann atemlos aus dem Hörer.
»Señorita Verónica-Baby, mein Kleines«, nuschelte Jonathan seinerseits. »Sparen Sie sich alle Versuche, ein geeignetes Kosewort für mich zu finden. Keines davon träfe je den Punkt. Ihr armes kleines Köpfchen ist nicht geschaffen für solche Dinge. Wie auch nicht dafür, einem so ehrwürdigen Institut wie dem für Neue Literatur vorzugreifen. Sie bringen sich mit solchen Sachen nur unnötig in Schwierigkeiten. Hören Sie zu, was ich Ihnen jetzt sage. Hören Sie gut zu, damit Sie auch hernach nichts falsch machen. Das könnte nämlich sehr, sehr, sehr unangenehm für Sie werden. Glauben Sie mir. Denn ich kann Sie gut leiden, habe Sie gewissermaßen längst ganz tief in mein kleines, warmes Herz geschlossen.
Also: Sie werden dem Institut sofort und ohne Umschweife mitteilen, dass ich seit über einer Woche sehr intensiv mit Studien zum Fortgang der ›Anselmo-Trilogie‹ beschäftigt war – und noch bin. Diese Studien – das Institut wird sofort wissen, warum – sind unabdingbar für den erfolgreichen Abschluss der Trilogie und wurden durch einen glücklichen Zufall gerade noch rechtzeitig ermöglicht. Ich bin durch sie – durch die Studien, nicht Sie, mein Kleines – in der glücklichen Lage, bereits heute – obwohl die Studien noch andauern – vorhersagen zu können, dass die Trilogie das ultimative Kunstwerk sein wird, das alle Seiten beim Abschluss des Vertrages sich erhofften. Haben Sie alles fein säuberlich mitgeschrieben? Es kommt auf jedes Wort an.«
Stille.
»Oder haben Sie wenigstens grob begriffen, was ich Ihnen sagte?«
»Nein«, kam es aus der Leitung.
»Nein? Was heißt ›Nein‹?«
»Ich habe kein Wort begriffen von dem, was Sie sagten. Wahrscheinlich sind Sie betrunken.«
Jonathan musste lachen. »Verónica-Schätzchen«, sagte er dann glücklich, »haben Sie je einen Betrunkenen eine so lange und flüssige Rede halten hören?«
»Natürlich«, sagte sie trocken. »Miguel, mein Verlobter, hält jedes Monatsende eine solche Rede. Wenn er die Hälfte seines Gehalts in irgendeiner Bar mit seinen verlotterten Freunden versoffen hat. Dann spricht er ohne Luft zu holen mehrere Minuten über Dinge, von denen er keine Ahnung hat. Das klingt gut, aber nie versteht jemand, was er sagt. Und danach fällt er immer in einen furchtbaren Schlaf, währenddessen er schnarcht, als müsse er jeden Moment sterben. Ich wette, Sie werden auch bald furchtbar schnarchen.«
»Ich schnarche niemals, Señorita«, log Jonathan. Denn er wusste zuverlässig, dass er auch schnarchte, wenn er nicht getrunken hatte.
»Das ist mir egal«, gab die Angesprochene spitz zurück. »Und es ist mir auch gleich, ob ich verstehe, was Sie sagten oder nicht. Es kommt ja nur darauf an, ob die Herrschaften im Institut Sie verstehen oder nicht.«
»Wie aber sollen die armen Kerle es je verstehen, wenn Sie nicht wissen, was Sie ihnen mitteilen sollen?« grinste Jonathan genüsslich.
»Ich werde ihnen einfach den Inhalt des Bandes übermitteln, das die ganz Zeit läuft«, sagte Verónica mit einem Unterton der Freude.
»Ein …, ein Band?«, murmelte Jonathan konsterniert.
»Ich wünsche einen guten Schlaf, Señor Simpson.«
Die Leitung wurde unterbrochen. Jonathan Simpson verlor die Besinnung und fiel in einen tiefen Schlaf, in welchem er schnarchte, als wolle er die Welt in Trümmer legen.
»Es wundert mich eigentlich sehr, dass dieses Haus noch immer steht«, sagte Jonathan Simpson.
»Warum eigentlich?«, fragte Nora, während sie sich umsah. »Es ist zwar alt, aber keineswegs baufällig. Zumindest habe ich diesen Eindruck.«
»Es hat nichts damit zu tun«, sagte Jonathan. »Wie es heißt, hat vor Jahren ein amerikanisches Syndikat das ganze Terrain erworben, um einen Hotelkomplex im Club-Stil darauf zu errichten.«
Nora kicherte. »Also, wenn das ein Hotel sein sollte, dann hat es einfach zu wenige Gäste, um überleben zu können. Und zwar offensichtlich schon eine ziemliche Weile, wenn ich mich nicht irre.«
»Man kann sich offensichtlich nicht entscheiden, wie das Ganze aussehen soll«, sagte Jonathan und schaute sich ebenfalls neugierig um. Zwar hatte er das Haus schon oft aus der Ferne beobachtet und auch die tollsten Geschichten darüber gehört. Aber persönlich hatte er noch nie das Bedürfnis verspürt, es selbst in Augenschein zu nehmen. Und während er das dachte, fragte er sich insgeheim, warum das so war.
Nichts auf der Welt schien mehr geeignet, Teil der Anselmo-Trilogie zu sein, als dieses Haus. Die Kulisse an sich war schon prächtig genug. Der Gipfel aber war der Umstand, dass tatsächlich – wie mehrfach von Erzählern berichtet – alles darauf hindeutete, dass das Haus mitten im normalen Alltag verlassen worden war. Es war komplett eingerichtet – wenn auch reichlich zugestaubt – und in den Schränken stand nicht nur das komplette Geschirr, sondern es hingen auch jede Menge Kleider. Oder besser gesagt, das, was von ihnen übrig geblieben war, im Laufe vieler, vieler Jahre.
»Oder irgend etwas hat sie daran gehindert«, sagte Zimmermann leise.
»Wer hat wen woran gehindert?«, fragte Jonathan, der mitten aus seinen Gedanken gerissen wurde.
»Das Syndikat«, sagte Zimmermann. »Etwas hat das Syndikat daran gehindert, die Pläne zu verwirklichen.«
»Sicher eine fremde Macht«, flüsterte Jonathan theatralisch. »Eine Macht, die nicht von dieser Welt ist.«
»Quatsch«, sagte Nora etwas zu laut. »Das Geld wird ihnen ausgegangen sein. Oder die Bosse sitzen im Knast. Oder eine Studie hat ergeben, dass kein Schwein hier so etwas wie eine Club-Anlage braucht.«
»Das mit Sicherheit nicht«, widersprach Zimmermann bestimmt. »Ein Blinder erkennt die Möglichkeiten dieser Location auf den ersten Blick. Die Rendite müsste normalerweise zu garantieren sein.«
»Wie gesagt: eine fremde Macht«, frohlockte Jonathan selig. Längst hatte er eine unglaubliche Freude daran, alles zu mystifizieren. Zumal Zimmermann keine Anstalten machte, ihn dabei zu bremsen und Nora dafür entsprechend doppelt bemüht war.
Was dich erwartet ...
Der 2. Teil der ANSELMO TRILOGIE
Ein kurzer Blick
hinter die Kulissen
Eigentlich der Stoff für einen klassischen Liebesroman – wenn da nicht immer dieser Blick in ein ›räumlich und zeitlich nicht allzu weit entferntes Parallel-Universum‹ wäre.
Wer ist Sassplogerithaas? Wer ist der SPIELER? Und was ist DAS SPIEL, bei dem es ganz offensichtlich um eine ganze Menge geht …?
Der Gedanke hinterDie Dinge des Lebens
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Das Leben ist verdammt kompliziert.
Vor allem die Beziehung zwischen Männern und Frauen betreffend. Und ganz kompliziert wird es, wenn einem nicht nur das Verliebtsein, sondern auch noch zu viel Alkohol zusetzt.
Udo Kübler – Sci-Fi Autor & Storyteller