Hörte er da von fern ein feines Hoffnungsglöckchen?
»Alle Welt nennt einen Charly wie dich eine Katze, glaub mir das.«
» Ein Charly kann eine Bühne in Kaskaden des Wahnsinns und einen Konzertsaal in ein Tollhaus verwandeln. «
Mit seinem Vertrag mit Seraphine-Records konnte sich Jonathan Simpson nicht einmal den Hintern abwischen. Er und sein genialer Gitarrist, Max Seller, saßen quasi auf dieser Sandbank fest, auf der sie wahrscheinlich auf alle Zeiten verrotten würden.
Dann aber kam dieser Anruf von dem Kerl mit der belegten Stimme und den seltsam zischenden S-Laute. Der sagte Sachen, die Jonathan mehr als obskur erschienen. Am Ende aber glaubte er ihm trotzdem. Was hatte er denn auch noch zu verlieren?
Und dann stand da dieser Kerl vor der Tür, mit dem alles ganz anders wurde …
»Du kannst direkt loslegen«, sagte Mingus und wies auf den Aufnahme-Junk. »Das Playback steht auch schon bereit.«
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Das Problem war, dass er diesen Vertrag mit Seraphine-Records hatte. Dadurch waren ihm die Hände gebunden, er konnte nur dumm rumsitzen und warten, bis ihm das Geld endgültig ausgegangen war. Die Band jedenfalls hatte sich gestern ziemlich unspektakulär aufgelöst. Na ja, nicht ganz. Max Seller immerhin war geblieben. Und wenn er mal ehrlich war, wäre dessen Abschied tatsächlich der Tod des Projekts gewesen. Auf alle anderen konnte man notfalls verzichten. Notfalls, nicht jederzeit!
Jonathan Simpson tat sich schwer, Max geradewegs ins Gesicht zu sehen. Er wusste, wie dieser völlig abgefahrene, aber hochsensible Gitarrero aus Ludwigshafen am Rhein tickte. Max war davon abhängig, dass Jonathan, der Frontman und Bandleader, wusste wo’s langging. Sobald er auch nur andeutungsweise den Eindruck vermittelte, die Zügel nicht mehr in der Hand zu haben, würde die Verzweiflung und Depression unweigerlich wie eine riesige Raubkatze über Max herfallen und diesen ganz und gar verschlingen.
»Un’, was hört ma’ vum Onner?«, kam auch schon unweigerlich die Frage von Max, in dessen eigenwilligen Ludwigshafener Zungenschlag.
»Wen meinst du jetzt genau?«, entgegnete Jonathan, in der Absicht wenigstens etwas Zeit zu gewinnen.
»Ha, de Seltefröhlisch«, lautete die knappe, aber unabwendbare Antwort.
»Du meinst Selco Iovanowicz?«
»Claro.« Das war die eindeutige Verbeugung vor der Tatsache, dass man sich auf Mallorca befand, und hier eigentlich spanisch gesprochen wurde.
Selco war der Inhaber und CEO von Seraphine-Records und wahrscheinlich einer der windigsten Typen im gesamten Music-Business dieses Planeten. Gott allein mochte wissen, warum gerade er damals Jonathan diesen recht beachtlichen Vertrag angeboten hatte, der ihm und seinem Projekt den Himmel auf Erden in Aussicht stellte – und den Branco-Brüdern eine mehr als hübsche Stange Geld in die Kasse spülte.
The Real Gig – mit den Branco-Brüdern?
Jonathan gönnte den beiden Brancos dieses Geld durchaus. Immerhin hatten sie nicht nur das gesamte Album auf eigenes Risiko und eigene Kosten produziert, sondern die Band auch an den Stellen kompetent ergänzt, wo es zuvor noch mit der Qualität gehapert hatte.
Das Problem war nur, dass die Branco-Brüder durch das stolze Honorar praktisch sämtliche Bestimmungsrechte an Selco Iovanowicz abgegeben hatten. Wodurch dieser nach Lust und Laune schalten und walten konnte. Was er auch ausgiebig tat. Oder besser gesagt, unterließ. Denn im Prinzip ließ er Jonathan und sein ambitioniertes Projekt, das beim Premiere-Gig von der Fachpresse in den höchsten Tönen gelobhudelt worden war, einfach tatenlos treiben – bis es schließlich auf einer Sandbank im Nirgendwo strandete. Ab dem Zeitpunkt wartete es auf eine wundersame Rettung. Und da diese eben einfach nicht kommen wollte, hatte sich die Band gestern aufgelöst.
Jonathan war heilfroh, dass Max nicht weitere Fragen stellte, die ihn unweigerlich in die Bredouille gebracht hätten, sondern sich seine Stratocaster griff, einmal zärtlich über deren Saiten bis zum Ende des Halses strich und dann versonnen an einem neuen Riff bastelte.
Was dich erwartet ...
Wie gut du wirklich bist, weißt du erst, wenn du Grenzen überschreitest
Ein kurzer Blick
hinter die Kulissen
Nie hätte Jonathan Simpson geglaubt, dass er zu solchen Dingen überhaupt fähig sein könnte. Als er es aber ablieferte, erschien es ihm das Normalste der Welt zu sein …
Der Gedanke hinterThe Real GIG
—
»Und dann werde ich die Katze aus Bonaire aus dir machen.«
Nicht jeder, der dir was verspricht, will dich aufs Kreuz legen. Und nicht jeder, der dir sagt, du seist großartig, will dich verarschen.
Du hast zwar gelernt kritisch und skeptisch zu sein. Man hat dir beigebracht, dass Realismus vor allem aus Zweifel und Skepsis besteht. Aber wie so oft ist die Wahrheit nicht mit ein, zwei Worten zu erzählen. Manchmal muss man die Dinge auch mal laufen lassen, um zu sehen was daraus wird …
Udo Kübler – Sci-Fi Autor & Storyteller