Teil 3 der ANSELMO TRILOGIE
»Das war nicht ich. Das war das Leben.«
»Spiele nicht mit Messern,mein kleiner Americano …!«
Ein ziemlich glatter Privat-Detektiv reist extra von New York an. Don Chung, der Besitzer des Chinesen-Puffs in Puerto Alcúda verschwindet auf mysteriöse Weise. Und dann ist da Don Hermes Anselmo, der undurchsichtige Auftraggeber aus USA, den angeblich das Verschwinden des kleinen Italieners Jonny Morbidelli interessiert, der seine Nase in einfach alles stecken musste. Weshalb man ihm diese und noch ein paar andere Sachen abschnitt, bevor man ihn in die Albufera warf. Nicht zu vergessen Paco Medina – Jonathan Simpsons ›linke Hand‹ – und Manfred Viola – der Assistent des Schnüfflers aus New York –, der allein durch seine Anwesenheit ganze Landstriche an den Rand der Apokalypse bringen kann …
Jonathan Simpson als Loser, der auch in den verrücktesten Situationen den Überblick behält. Dem selbst Göttinnen zu Füßen liegen, und dem auch das Schicksal nicht gewachsen scheint …
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Zu dieser Zeit hier zu stehen und darauf zu warten, dass ein Amerikaner von einer New-Yorker Detektivagentur mit einem Boot hier landen würde, erschien ihm plötzlich völlig absurd. Und je länger er über den letzten Abend nachdachte, umso absurder und blödsinniger erschien ihm alles, was passiert war. Während er routinemäßig ein Auge auf die Schwärze des Meeres hatte, versuchte er seinem Geist klarzumachen, dass wohl alles seine Richtigkeit habe. Nur, glauben wollte der Geist ihm diesbezüglich nicht eine Silbe.
Gegen 3.35 Uhr glaubte er sich selbst nicht mehr und um 3.55 Uhr wusste er, dass er ein völliger Idiot war. Als allerdings 4.10 Uhr ein singendes Rauschen aus der Richtung des dunklen Wassers der Bucht an sein halb erfrorenes Ohr drang, war er trotzdem nicht allzu sehr überrascht. Und das Auftauchen der dunklen Masse eines schnellen Tragflächenbootes ohne Positionslichter an der Einfahrt des Hafenbeckens nahm er mit einem Gleichmut hin, die nur begreifen konnte, wer wusste, dass es ihm vor Kälte längst egal war, ob der Amerikaner nun käme oder nicht. Ein greller Scheinwerfer flammte auf und hüllte Jonathan in gleißende Helligkeit. Die Restlicht verstärkende Sonnenbrille schaltete sofort auf Abblenden, sodass es Jonathan erspart blieb, vorübergehend zu erblinden.
Eine nächtliche Begegnung
»Hey du, Amigo«, brüllte eine glatte Stimme mit amerikanischem Akzent auf Englisch. »Bist du zufällig Jonny, die Wühlmaus aus Alcúdia?«
Jonathan fasste nach seinem Hut, der vom Wind fast weggeweht wurde und brüllte so laut er konnte: »Ich bin Jonathan Simpson, Privatdetektiv in dieser Gegend. Und ich hasse es, Jonny genannt zu werden.«
Er konnte das Grinsen des Mannes mit der glatten Stimme nicht sehen, aber er konnte es dem Klang seiner Stimme entnehmen, als er rief: »Na wunderbar John, dann komm mal hübsch zu meinem Liegeplatz.«
Wo sich dieser befinden sollte, sagte er nicht, aber das erfuhr Jonathan in den nächsten Minuten neben vielen weiteren Dingen. Er erfuhr, dass der Amerikaner es offensichtlich nicht für notwendig gehalten hatte, sich groß anzukündigen. Er erfuhr, dass der Hafenmeister so etwas nicht unbedingt liebte. Er erfuhr, dass dieser Hafenmeister Pedro Ramirez hieß und ein recht streitbarer Mensch war. Und er erfuhr, dass ihm das gegenüber dem Amerikaner wenig nutzte.
»Señor Jefe«, meldete sich Paco Medina am Telefon. »Wie ich gehört habe, sind Sie auf der Suche nach Don Chung, dem Besitzer des Chinesen-Puffs in Puerto Alcúdia.«
»Du hast richtig gehört, mein treuer Paco«, erwiderte Jonathan.
»Nun …«, sagte Paco mit trauriger Stimme und zögerte etwas.
Als nach einigen Sekunden des Wartens auf die Fortsetzung des verheißungsvollen Beginns eines Satzes, dieser noch immer unausgesprochen in der Luft hing, sagte Jonathan ungeduldig: »Dieses Wort ›Nun‹ ist durchaus ein verheißungsvolles Wort, Paco. Aber ich kann im Moment recht wenig damit anfangen – oder kommt da noch mehr?«
»Nun …«, begann Paco erneut und fuhr dann fort, »Don Chung sitzt neben mir im Auto.«
Jonathan glaubte, vom Blitz getroffen worden zu sein. Sein Herz machte einen freudigen Sprung. Doch bereits im selben Moment durchfuhr ihn die Erkenntnis, dass Don Chung nicht bei irgendjemandem im Auto saß, sondern bei Paco Medina. Ahnungsvoll fragte er deshalb: »Wie geht es ihm? Lebt er noch?«
»Ja, ja«, beeilte sich Paco zu beschwichtigen. »Er lebt noch.« Seine Stimme klang deutlich erleichtert, ob der Möglichkeit etwas Positives zu berichten.
»Und, wie geht es ihm?«, drängte Jonathan zu wissen.
Nach einem kurzen Moment des Schweigens sagte Paco: »Na, ja.«
»Was heißt: Na, ja?«, rief Jonathan erbost. Obwohl das die typische Art für Paco war, sich die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen.
»Ich würde sagen, es geht ihm den Umständen entsprechend gut«, sagte Paco schnell.
»Was heißt das denn schon wieder?«, brüllte Jonathan erregt. »Hast du ihn etwa halbiert am Straßenrand gefunden?«
Von Paco kam keine Antwort.
»Was denn nun? Mein Gott, warum erzählst du nicht einfach, was los war?«
Ein überraschendes Geständnis
»Nun ja«, begann Paco mit deutlichem Bedauern in der Stimme. »Ich war auf dem Weg von Can Picafort nach Puerto. Da fiel mir ein, dass ich für meinen Bruder in Santa Margarita noch etwas abholen sollte, und bog deshalb gerade noch rechtzeitig ab. Es fiel mir wirklich gerade ein, als ich die Abzweigung vor mir hatte. Sie kennen doch die Stelle, ich meine, Sie können sich vorstellen, wie schwierig es ist, bei einer solchen Aktion die Kontrolle über den Wagen nicht zu verlieren.«
»Mein Gott«, brüllte Jonathan in dunkler Vorahnung. »Hast du Don Chung etwa dabei überfahren?«
»Aber nein«“, wehrte Paco geflissentlich ab, um nach kurzem Zögern kläglich hinzuzufügen: »Da noch nicht.«
Jonathan glaubte, ohnmächtig werden zu müssen. Er hatte es ja geahnt.
»Wann hast du ihn dann überfahren?«
»Ich habe ihn überhaupt nicht überfahren«, sagte Paco entrüstet und schwieg erneut.
»„Sondern?«“, brüllte Jonathan.
»Ich denke, es war, weil mir bei dem Manöver mit dem Abbiegen die Zigarette runtergefallen war. Sie lag genau zwischen meinen Oberschenkeln. Das hätte echt ins Auge gehen können.«
»Und dabei hast du ihn dann überfahren?«
»Nein!«, jammerte Paco nun ebenfalls etwas lauter. »Wie ich schon sagte, habe ich ihn überhaupt nicht überfahren.«
»Was hast du denn dann gemacht?«
»Ich habe versucht, die Zigarette zwischen meinen Schenkeln aufzuheben. Das war kein gutes Gefühl. Das können Sie mir glauben. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt. Wenn ich mir nur vorstelle …«
»Paco!«
»Señor Jefe?«
»Wo war Don Chung!?«
»Ich weiß es nicht, Jefe. Denn ich war so mit dieser Zigarette beschäftigt. Da ist jetzt ein richtiges kleines Loch im Sitz. Wenn ich nur daran denke …«
»Wie zum Teufel hast du Don Chung getroffen?«
»Ich fürchte, ziemlich hart, Señor.«
Der Alte, der Jonathan Simpson die Injektionspistole an die Halsschlagader presste, wurde von den beiden Gorillas Doc genannt.
Jonathan war sich ziemlich sicher, dass sich nicht einmal ein alter Kutschergaul von ihm ins Maul schauen und schon gar nicht von ihm untersuchen lassen hätte. Ein Mensch hätte es möglicherweise sogar vorgezogen, sich bei Nacht und Nebel von Cap Formentór rund 250 Meter tief ins Meer zu stürzen, als sich von diesem Doc verarzten zu lassen. Jonathan aber war außerstande, sich gegen dessen Machenschaften zu wehren, denn noch immer befand er sich in jenem Film, in dem ihm die Rolle eines reglosen Bergmassivs zugedacht war. Und die er – gegen seinen Willen – mit Bravour meisterte.
Das Problem lag darin, dass die extreme Dosis der Blaster seinen Körper derart paralysiert hatte, dass sein Herz nur noch schwach schlug und sein Atem flach, wie ein Blatt Papier war. Allzu lange konnte das nicht gut gehen. Denn immerhin hatten die beiden Gorillas ihn aus seinem Büro geschleppt, in der Tiefgarage in einen wartenden Wagen verfrachtet und ihn gut zwanzig Minuten durch die Gegend kutschiert, bis sie ihn schließlich in einem dunklen Raum wieder aus dem Auto gezerrt und auf eine Art Tisch geworfen hatten.
Es werde Licht
Als irgendwer plötzlich ein grelles Licht an der Decke angeschaltet hatte, war Jonathan sicher gewesen, für immer erblinden zu müssen. Seine Augen fühlten sich an wie zwei alte Äpfel, da er unfähig war, die Augenlieder zu schließen, um sie zu befeuchten. Doch zu seiner grenzenlosen Überraschung gewöhnten sich selbst die verschrumpelten Dinger an das Licht und ermöglichten ihm, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Die Tatsachen bestanden vornehmlich aus dem Doc und seiner Injektionspistole. Und das Gesicht des die Tatsachen verkörpernden Docs war von einer solchen Eindringlichkeit, dass Jonathan spontan alle Hoffnungen fahren ließ. Es hinterließ bei ihm sogar einen derartigen Eindruck, dass er es sich ersparte, ein stilles Stoßgebet zum Himmel zu schicken, da er glaubte selbst der gnädige Herrgott müsse gegen die Widerwärtigkeit einer solchen Kreatur machtlos sein.
Wie in so manchen Dingen zuvor irrte er sich auch in diesem Fall, und zwar gleich mehrfach.
Privatdetektiv Jonathan irrt sich mehrfach
Erstens ist es selbst dem Teufel nicht gelungen, Gott durch seine Widerwärtigkeit nachhaltig zu beeindrucken, zweitens war der Doc längst nicht so eine scheußliche Kreatur, wie sein Äußeres vermuten ließ, drittens hatte er tatsächlich einmal den Beruf des Arztes der Allgemeinmedizin ausgeübt, bevor bestimmte Leidenschaften ihn gehörig aus der Bahn geworfen hatten, und viertens wusste er noch genau, wie eine Injektionspistole zu handhaben war.
Entgegen Jonathans Befürchtungen war also soweit alles in Ordnung.
Was dich erwartet ...
Der 3. Teil der ANSELMO TRILOGIE
Ein kurzer Blick
hinter die Kulissen
Dieser Abschluss der ANSELMO TRILOGIE ist ein ständig anschwellendes Crescendo eines Feuerwerks an Fantasie und Ideen, in dem sich die unglaublichsten Charaktere die Klinke in die Hand geben.
Eine Geschichte zwischen Slapstick und Philosophie. Und mittendrin: Jonathan Simpson, der ewige Tausendsassa unter den Protagonisten …
Der Gedanke hinter Das fehlende Stück
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Das Puzzle ist komplett.
Aber erkennen wir den roten Faden, der sich durch alle drei Teile der ANSELMO TRILOGIE schlängelt? Zugegeben, er liegt nicht groß und breit im Vordergrund und schreit immer »Hier!«. Aber er ist da. Immer ist da ein Schicksal, dem sich nicht nur der Protagonist ausgeliefert fühlt. Da ist die immer wieder im Raum stehende Frage: wer trägt die Verantwortung für das was passiert? Und immer lautet die Antwort: du kannst dich deinem Schicksal fügen oder du kannst dagegen ankämpfen. Und vorüber ist es erst, wenn es vorbei ist …
Am Ende der Geschichte hat Jonathan Simpson auch dazu eine eigene Meinung – die er seinem Autor geigt …
Udo Kübler – Sci-Fi Autor & Storyteller