Aue, Steglitz, Würzburg, Heidelberg,
Landau …?

» Hören Sie doch auf, Mann! Wer soll denn das ertragen! «

Tatort Celle? | Kurzgeschichte | Jonathan Simpson | Udo Kübler

» Kein Grund aber deshalb gleich auf Celle zu kommen … «

In dieser ersten Jonathan Simpson-Kurzgeschichte, die nicht auf Mallorca spielt, erfährt der geneigte Leser nicht nur erstaunlich viel darüber, wie ein neuer TATORT entstehen kann, sondern auch über die entsprechenden Strukturen der ARD, in diesem Zusammenhang.
Okay, ob es nun tatsächlich zuerst der stellvertretende Assistent des Programmchefs ist, der die Vorauswahl trifft oder ob es der stellvertretende Assistent des stellvertretenden Programmchefs ist, wollen wir mal dahingestellt lassen …

Tatort: Am Ende sprechen die Ergebnisse und der ungebremste Erfolg dieser seit etwa 349 Jahren beliebten Serie eine beredte Sprache …

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Tatort Celle

Was Jonathan Simpson vorschlug, war zumindest mutig.
Andererseits hatte man sich genau deshalb an ihn gewandt. Man wollte mutige Vorschläge von einem Spezialisten für passgerechte Plots und Szenarios seiner Klasse hören. Dieser hier war allerdings schon fast frech zu nennen. Oder doch zumindest kühn.

»Celle?«, fragte ihn der stellvertretende Assistent des Programmchefs.
Jonathan nickte.
»Sie meinen dieses … Celle …«, der stellvertretende Assistent des Programmchefs wedelte wild mit einer Hand in der Luft herum, »… irgendwo da oben? In der Gegend von … von …?«
»Hannover«, half ihm Jonathan auf die Sprünge.
»Wie? Äh … ja, Hannover. Bei Hannover, meine ich.«
Jonathan nickte erneut und verkniff sich heldenhaft den geringsten Hauch von einem Grinsen.

Ein mutiger Vorschlag

Der stellvertretende Assistent sah ihm lange forschend ins Gesicht.
»Das ist mutig«, sagte er dann.
»Genau genommen ist es sogar einigermaßen kühn«, verbesserte ihn Jonathan. »Aber ich denke, genau das ist es, weshalb Sie sich in dieser Sache an mich gewandt haben.«

Der stellvertretende Assistent wiegte leicht den Kopf. »Natürlich erwarten wir von Leuten wie Ihnen mutige Vorschläge, Simpson. Aber …«
»Aber?«
»Wie soll ich sagen?«, wand sich der Assistent etwas unsicher. »Die Vorschläge sollen zwar mutig, doch vor allem auch realistisch sein.«
»Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter ›realistisch‹?«
»Na ja …«, der Assistent schnitt eine verlegene Grimasse. »Die Sache muss natürlich akzeptabel sein. Für das Publikum.« Er hüstelte.
Jonathan nickte zustimmend. »Oh ja, das sollte es sein. Sogar unbedingt.«
»Sehen Sie …?« Der Assistent machte ein Gesicht, als hätte er gerade das Ei des Columbus entdeckt.

»Darf’s vielleicht noch ein Kaffee sein, Herr Simpson?«, steckte die Vorzimmerdame des stellvertretenden Assistenten des Programmchefs dienstbeflissen den Kopf in das Büro ihres Chefs.
»Äh …«, war der auf diese Frage so gar nicht eingestellt.
»Ich mach Ihne’ auch gern einen Cappuccino, gell?«
»Äh … ich glaube …«
»Oder eine Latte?«
»Nein, danke. Keine Latte, bitte.«
»Mir habet au’ Tee, wenn Ihne’ des jetzt vielleicht lieber wär.«

Jonathan war sich nicht im Klaren, welchen Dialekt die Fragestellerin gerade versuchte zu kaschieren. Es hätte irgendein schwäbischer Dialekt sein können. Doch dazu fehlte ein wenig die Signifikanz der Betonung.
»Da hätt’ ich zum Beispiel einen sehr schöne’ grüne’ Tee.«
»Danke, nein.«
»Oder einen Tschai Latte. Des isch ganz was Feines. Sehr beliebt bei …«
»Nein, danke, keinen Tee bitte. Sehr freundlich, Frau …«
»Gernsheimer. Sabine Gernsheimer, wenn’s recht ist, Herr Simpson.« Womit sie sich endgültig neben Jonathan aufbaute und ihm ins Gesicht strahlte. Einssechzig, vollschlank – aber nicht dick! – weiße Bluse, schwarzer Rock, rote Backen, dunkelbraune Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Eine kleine Notlüge

»Im Moment haben wir noch alles, Frau Gernsheimer«, log der stellvertretende Assistent, um seine gute Seele hinaus zu komplimentieren. »Wenn was fehlt, melden wir uns, ja?«
»Also gut. Aber net …«, wandte sie sich nur zögernd wieder Richtung Tür.
»Nein, nein, wir melden uns garantiert. Versprochen«, fügte er noch ganz schnell an. Worauf Frau Gernsheimer ungern, aber immerhin, wieder in ihrem Vorzimmer verschwand.

»Glauben Sie mir, das Publikum wird Celle lieben«, nahm Jonathan den Faden wieder auf. »Es ist ja schon ganz vernarrt in Münster.« Er zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. »Aber Celle … glauben Sie mir, Celle geht voll durch die Decke.«
»Ernsthaft?«
»So sicher, wie ich hier sitze.«
Der stellvertretende Assistent des Programmchefs sah Jonathan bekümmert an.

Was dich erwartet ...

Ein Blick hinter die Kulissen der modernen Unterhaltungsindustrie

Ein kurzer Blick
hinter die Kulissen

Machen wir uns nichts vor: die Arbeit an einer Erfolgsserie, wie TATORT, ist reine Knochenarbeit. Da sind Kompetenz, Erfahrung und ein ausgeprägter Instinkt unverzichtbar …

Handlung
60%
Humor
90%
Satire
80%
Hintersinn
40%

Der Gedanke hinter
Tatort Celle?

Udo Kübler | Featured Image | Startseite | Sci-Fi Autor und Storyteller Udo Kübler

Einmal mehr wäre ich auf die Idee zu dieser Kurzgeschichte wohl nie im Leben von selbst gekommen …

Meine unglaublich begabte Tochter Tanja spielt seit vielen Jahren am Schlosstheater Celle Theater, muss man wissen. Und obwohl sie meine Tochter ist und ziemlich kritisch, liest sie schon immer gerne meine Geschichten.
Eines Tages war nun in der Celler Tageszeitung anlässlich eines Jubeljahres der Stadt, ein Schreibwettbewerb ausgeschrieben. Weshalb sie auf die Idee kam, dass ich diesen Wettbewerb gewinnen müsse.
Ihr zuliebe habe ich mich dann tatsächlich dem harten Brot eines solch anspruchsvollen Wettbewerbs ausgesetzt. Genutzt hat es allerdings nichts …

Signatur | Jonathan Simpson | Udo Kübler

Udo Kübler – Sci-Fi Autor & Storyteller