Udos Sci-Fi Blog

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Thema: Direct Storytelling – eine unendliche Geschichte.

Dass Direct Storytelling extrem spontanes Schreiben bedeutet, haben wir schon mehrfach besprochen. Auch, dass es ganz normal ist, dass Dinge eine plötzliche, ziemlich heftige Wendung bekommen können. Weil es eben zu den Regeln des ganz normalen Lebens abläuft, wo sehr unscheinbar wirkende Faktoren heftige Folgen nach sich ziehen können. Oder wo die persönliche Situation eines Charakters durch zufällige Einflüsse auf dessen Temperament und Veranlagungen zu sehr unerwarteten Reaktionen führen und dem Verlauf einer Geschichte eine unerwartete Wendung geben können.

Wie wenig Einfluss ich als Autor in einem solchen Fall auf den Fortgang der Geschichte nehme, wird oft unterschätzt. In aller Regel nehme ich nämlich nicht den geringsten Einfluss. Speziell Jonathan Simpson wird mir das wohl nie glauben …

Dabei ist es eindeutig so.

Nehmen wir doch mal meine Kurzgeschichte ›Begebenheit beim Saturn‹. Hier schreibe ich im Vorwort explizit:

Über all die Jahre hat man uns auf die Begegnungen mit Extraterrestriern vorbereitet. Na ja, man hat es zumindest versucht. Die einen so, die anderen so. Und so hatten wir, seit wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen, stets die Auswahl zwischen den guten und den bösen Aliens. Die Guten kommen, um uns endlich den Frieden zu bringen und die Bösen, um uns zu vernichten. Das klingt ja auch einleuchtend. Hat man uns zumindest schon immer gesagt.

Nun, ich gebe zu, nicht ganz zu Unrecht in dem Ruf zu stehen, eine gewisse Renitenz in manchen Dingen an den Tag zu legen. Und so hat mir eben auch nie so ganz einleuchten wollen, warum all die vielen Rassen da draußen im Umgang mit uns nur vor zwei Alternativen stehen sollten: Uns entweder mühsam davon abzubringen, uns gegenseitig zu drangsalieren und auf die Nerven zu gehen, oder uns mal eben aus dem Katalog der Artenvielfalt des Universums zu streichen. Nach meiner Überzeugung haben all die vielen Aliens einfach schon genug mit sich selbst zu tun und deshalb auch nicht gerade Bock darauf, sich mit uns überhaupt auseinanderzusetzen …

›Begebenheit beim Saturn‹

Im Nachwort allerdings schreibe ich dann:

So kann’s gehen. Eigentlich wollte ich Ihnen, geneigter Leser, mit dieser Geschichte darlegen, wie unwichtig wir Menschen als Rasse für den Rest des Universums sind. Und was passiert? …

›Begebenheit beim Saturn‹

Na, was wohl? Zumindest etwas völlig anderes als ursprünglich geplant. Was das im Einzelnen in dieser Geschichte ist, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um nichts vorwegzunehmen, falls jemand diese Kurzgeschichte ­– die eine meiner persönlichen Lieblingskurzgeschichten ist – lesen möchte.

Neben solchen Sachen kommt es allerdings mitunter auch zu recht drastischen Situationen, die wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen können. Eine solche möchte ich zu gerne hier zum Besten geben.

Bild – Direct-Story-Telling | Udo Kübler

Direct Storytelling überrascht selbst den Autor

Wir sind ziemlich am Ende des 3. Teils der ANSELMO TRILOGIE, ›Das fehlende Stück‹. Jonathan Simpson sitzt diesem Mann gegenüber. Sie reden auf einem extrem hohen Niveau über Dinge wie Metaphysik und andere Dinge, von denen zumindest Jonathan Simpson im Grunde nichts versteht. Und völlig ohne Vorankündigung steht dann plötzlich folgender Text:

Der anderen Seite fiel offenbar ein, dass es mal wieder Zeit für ein etwas Action sein könnte.

Ohne jede Vorankündigung stürzte ein schneller Raumkreuzer der Mnjeng-Titz aus einer Raumfalte etwa auf der Position der Uranus-Bahn und drang mit einer Geschwindigkeit knapp unterhalb des Lichts in Richtung des Mittelpunkts des Sonnensystems vor, wobei er mit hohen Werten verzögerte. Auf der Höhe des Asteroidengürtels hatte er nur noch knapp halbe Lichtgeschwindigkeit, übersprang elegant den gefährlichen Sektor und kam – nach wie vor stark verzögernd – in weitem Bogen auf die Position der Erde zu, die in einem Winkel von ungefähr 43,7° Backbord zu dem Sektor lag, an dem der Kreuzer auf den Asteroidengürtel gestoßen war. In einer enger werdenden Spirale umrundete der Kreuzer mit dem etwas unpassenden Namen „Prrillmijk-Kahckg“ den blauen Planeten mehrmals, bis er in einem stabilen Orbit ca. 170.000 km außerhalb der Mondumlaufbahn verharrte.

Insgesamt war es ein recht sauber ausgeführtes Manöver, das auf der Erde unter den Militärs für helle Aufregung sorgte und vom Rest der Menschheit nicht bemerkt wurde. Innerhalb höchstens zwanzig Minuten mehrten sich unter den Spezialisten des Militärs auf der Erde die Stimmen, dass ein solches Objekt in der Lage sein könnte mit einem einzigen Angriff den gesamten indischen Subkontinent in eine brodelnde Hölle zu verwandeln, wobei indische und pakistanische Militärs darauf behaarten, dass als Vergleich Alaska und Teile Kanadas deutlich besser geeignet seien. Nichtsdestotrotz irrten sich beide Seiten gewaltig. Denn die gute „Prrillmijk-Kahckg“ hatte eine Menge mehr zu bieten und war auch bereits dabei, sich darauf vorzubereiten. Das Problem dabei war einzig der Umstand, dass Tlogck-Psss-Teh-Laungck, der erste Offizier, der Meinung war, er habe die uneingeschränkte Befehlsgewalt, da Nah-Lahh, der offizielle Befehlshaber an Bord, sich in seinem prämetaphoren Stadium befand und deshalb völlig besoffen in seiner Kabine lag und laut derbe Raumfahrtlieder grölte. Maga-Plrfisch-Gesisspthothgk aber, der Bord-Gralshüter, sah dies etwas traditionalistischer als der junge erste Offizier der wegen seiner jungen, draufgängerischen Art  beim Rest der eher jungen Besatzung sehr beliebt war und gebot Tlogck-Psss-Teh-Laungck Einhalt. Kieferzangenknarrend fügte sich dieser dem Gralshüter und erklärte sich einverstanden, den Scherbenwurf und die Kotanalyse des Gralshüters abzuwarten.

Es war das große Glück der Erde, dass zwar der Scherbenwurf Maga-Plrfisch-Gesisspthothgk keinerlei Schwierigkeiten bereitete, er aber seit einiger Zeit etwas Probleme mit dem Stuhlgang hatte, weshalb die Kotanalyse doch ziemlich lange auf sich warten ließ. Zeit genug für ein Rudel wild entschlossener Raumjäger der Nj Mht, um ebenfalls aus einer Raumfalte herauszubrechen, die sogar deutlich innerhalb des Asteroidengürtels lag, allerdings fast genau gegenüber der Erde, sodass die Sonne das beachtliche Schauspiel, das sie dabei boten, sowohl für die Militärs als auch für die Ortung der „Prrillmijk- Kahckg“ hinter ihrer Kehrseite verbarg. Als die Raumjäger etwa auf der Höhe der Merkurbahn hinter der Sonne hervorpreschten und dabei den innersten der Planeten des Sonnensystems in höchstens 200 km Abstand passierten, war Maga-Plrfisch-Gesisspthothgk, der Bord-Gralshüter, gerade vor Erschöpfung in ein quasi-prämetaphores Stadium gefallen und konnte sich selbst nur durch ungeheure Disziplin daran hindern, das winzige Häuflein Kot aufzuessen. Gerade als er es mit äußerster Willenskraft in den Analysenschlitz der heiligen Apparatur schob, heulten die Alarmglocken des schnellen Raumkreuzers munter auf und die „Prrillmijk-Kahckg“ legte einen beeindruckenden Notstart hin. In tollkühnen Manövern wich sie den Zielautomatiken der Raumjäger aus, beschleunigte innerhalb knapp 14 Minuten auf gut 79,4 % Lichtgeschwindigkeit und verschwand in einer Raumfalte noch weit vor der Saturnbahn. Gefolgt von den munteren Raumjägern, die den Eindruck erweckten, die Sache mache ihnen einen ziemlichen Spaß.

Was nützte es im Nachhinein, dass die Kotanalyse, Maga-Plrfisch-Gesisspthothgk fast uneingeschränkt das Vorhaben Tlogck-Psss-Teh-Laungcks, des ersten Offiziers der „Prrillmijk- Kahckg“ befürwortete. Mit der Einschränkung, dass Tlogck-Psss-Teh-Laungck dabei keinesfalls an eine bestimmte Bar im Tanathagk-Sektor denken durfte – er wusste genau, was damit gemeint war – und sieben seiner Augen auf der rechten Seite mit einem Tuch aus Borami-Seide abzudecken hatte. Es nützte nichts.

Der Erde und der darauf heimischen Flora und Fauna – inklusive der Menschheit, die zum absolut überwiegenden Teil von all dem überhaupt nichts mitbekommen hatte – nützte es allerdings schon etwas. Denn ohne den Einwand des Gralshüters Maga-Plrfisch-Gesisspthothgk, hätten die Waffen der „Prrillmijk- Kahckg“ die Erde innerhalb weniger Minuten in ein Inferno gestürzt, das letztlich den gesamten Planeten in Millionen Stücke zerrissen hätten.

So hatten sie es schon einmal gemacht. Der Asteroidengürtel war ein beredtes Beispiel dafür, wie gründlich sie dabei vorgingen.

›Das fehlende Stück‹

Jetzt mal im Ernst: Sie glauben doch hoffentlich nicht, dass ich solche abstrusen Dinge geplant und in voller Absicht schreibe? Da müsste ich ja wohl mehr als ein wenig ein Rad abhaben. Oder?

Gegen Direct Storytelling ist man allerdings nicht gefeit. Da kommt es dann auch schon mal zu solchen Eskapaden. Und man kann nichts dagegen tun.

Aber wenn ich ehrlich bin, finde ich das auch irgendwie erfrischend.

Was meinen Sie …?

Herzlichst Ihr
Udo Kübler

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